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BMF: Anwendungsschreiben zur sog. Betriebsfortführungsfiktion in § 16 Abs. 3b EStG bei Betriebsunterbrechung und Betriebsverpachtung

Mit BMF-Schreiben vom 22. November 2016 (Az.: IV C 6-S 2242/12/10001, 2016/1005711) hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Auffassung der Finanzverwaltung zur Anwendung der Betriebsfortführungsfiktion in § 16 Abs. 3b EStG bekannt gemacht. Damit wird die bisher bereits in H 16 Abs. 2 „Betriebsunterbrechung“ und Abs. 5 „Betriebsverpachtung“ EStH 2015 bekannt gemachte Verwaltungsauffassung weiter konkretisiert.

07.12.2016

I. Hintergrund

Hintergrund des BMF-Schreibens ist die Regelung des § 16 Abs. 3b EStG, der durch das sog. Steuervereinfachungsgesetz vom 1. November 2011 eingefügt wurde (BGBl. I 2011, 2131 = BStBl. I 2011, 986). Mit § 16 Abs. 3b EStG wurde durch den Gesetzgeber erstmals klargestellt, dass im Fall der Betriebsverpachtung im Ganzen und der (sonstigen) Betriebsunterbrechung der verpachtete bzw. ruhende Gewerbebetrieb des Verpächters fortbesteht und nicht automatisch endet. Die Wirtschaftsgüter des verpachteten oder ruhenden Betriebs bleiben daher während der Dauer der Verpachtung/Unterbrechung mangels Betriebsaufgabe „latentes Betriebsvermögen“ (vgl. Desens/Blischke, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 15 EStG Rn. B 22, B 98 ff. m.w.N.).

Zur Betriebsaufgabe mit der Folge der Besteuerung sämtlicher stiller Reserven innerhalb des zuvor verpachteten/ruhenden Betriebsvermögens (vgl. § 16 Abs. 3 EStG) kommt es gemäß § 16 Abs. 3b Satz 1 EStG erst, wenn

  1. der Steuerpflichtige die Betriebsaufgabe ausdrücklich gegenüber dem Finanzamt erklärt (bis zu dreimonatige Rückwirkung möglich, § 16 Abs. 3b Satz 2 f. EStG) oder
  2. dem Finanzamt Tatsachen bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass die Voraussetzungen für eine Betriebsaufgabe erfüllt sind.

Zur Anwendung eben jeher Regelung des § 16 Abs. 3b EStG machte das BMF das Folgende bekannt:

II. Inhalt des BMF-Schreibens

1. Anwendungsbereich

§ 16 Abs. 3b EStG findet sachlich auf Fälle der Betriebsverpachtung im Ganzen sowie der Betriebsunterbrechung (sog. ruhender Gewerbebetrieb) eines gewerblichen Betriebs oder Teilbetriebs sowie bei Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) oder aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13, § 14 Satz 2 EStG) Anwendung.

a) „Betriebsunterbrechung“ und „Betriebsverpachtung“

Dabei meint „Betriebsunterbrechung“ das vorübergehende Ruhen der betrieblichen Tätigkeit unter Zurückbehaltung der wesentlichen Betriebsgrundlagen sowie mit der jederzeitigen Möglichkeit der Wiederaufnahme des Betriebs (objektive Möglichkeit). Die „Betriebsverpachtung“ setzt ebenfalls voraus, dass der Steuerpflichtige oder sein (unentgeltlicher) Rechtsnachfolger objektiv die Möglichkeit hat, ohne wesentliche Änderungen den Betrieb fortzuführen. Aufgrund der Verweise in H 16 Abs. 2 „Betriebsunterbrechung“ und Abs. 5 „Betriebsverpachtung“ EStH 2015 ist allerdings unklar, ob die Finanzverwaltung an der dort geforderten sog. Fortführungsabsicht festhält. Der BFH hat von diesem Erfordernis bereits in einer Entscheidung vom 19. März 2009 Abstand genommen (Az.: IV R 45/06, BStBl II 2009, 902 , seinerzeit obiter dictum).

b) Keine sog. Fortführungsfiktion bei zeitnaher Betriebsaufgabe

Wird eine Betriebsaufgabe zeitnah und in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung der aktiven, werbenden Tätigkeit am Markt durch schlüssige und unmissverständliche Handlung gegenüber dem Finanzamt erklärt, kommt § 16 Abs. 3b EStG nicht (mehr) zu Anwendung. Damit scheidet insbesondere auch die Rückwirkungsmöglichkeit des § 16 Abs. 3b Satz 2 f. EStG aus.

c) Erfasster Unternehmerkreis

Personell ist § 16 Abs. 3b EStG auf Einzelunternehmen und grundsätzlich auch auf Personengesellschaften/Mitunternehmerschaften anzuwenden. Dies gilt aber nicht in den Spezialfällen der gewerblich geprägten Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG), die stets aufgrund ihrer speziellen Gesellschaftsstruktur gewerblich sind (kein sog. Verpächterwahlrecht), sowie bei Besitzpersonengesellschaften einer (mitunternehmerischen) Betriebsaufspaltung (Gewerblichkeit wegen der Betriebsaufspaltung) und bei der Verpachtung des Betriebs eines Mitunternehmers an seine Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ).

d) Form und Inhalt der Betriebsaufgabeerklärung (§ 16 Abs. 3b Satz 1 Nr. 1 EStG)

Da eine besondere Form für die Aufgabeerklärung nicht vorgeschrieben ist, genügt theoretisch jede Form (auch E-Mail, Telefax, mündlich etc.). Schon aus Gründen der Beweisvorsorge empfiehlt sich allerdings die schriftliche Erklärung der Aufgabe, zumal die Finanzverwaltung den Steuerpflichtigen als darlegungsbelastet ansieht, ob und wann die Aufgabe gegenüber dem Finanzamt erklärt wurde.

Es empfiehlt sich zudem in jedem Fall eine ausdrückliche Erklärung. In der Aufnahme der Einkünfte aus dem verpachteten Betrieb im Rahmen der Einkommensteuer- oder Feststellungserklärung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wird keine (konkludente) Betriebsaufgabeerklärung gesehen.

Bei Mitunternehmerschaften soll die Betriebsaufgabeerklärung (hinsichtlich des Betriebs der Mitunternehmerschaft) einvernehmlich von allen Mitunternehmern abgegeben werden.

e) Zeitpunkt der Betriebsaufgabe durch den Betriebsinhaber

Der Steuerpflichtige kann grundsätzlich mit bis zu dreimonatiger Rückwirkung die Aufgabe erklären. Dies wird auch bei Rückwirkung in ein zurückliegendes Kalenderjahr anerkannt. Zu beachten ist dabei, dass im Fall der Aufgabeerklärung mit mehr als dreimonatiger Rückwirkung der Betrieb oder Mitunternehmeranteil erst in dem Zeitpunkt als aufgegeben gilt, in dem die Aufgabeerklärung beim Finanzamt (Eingangsstempel) eingeht. Eine Rückwirkung wird dann also gänzlich aberkannt und nicht nur auf die zulässige Dreimonatsfrist „gekürzt“. Dies ist unseres Erachtens deswegen nicht konsequent, weil in Fällen der rückwirkenden Aufgabeerklärung zu einem Zeitpunkt, in dem vom Steuerpflichtigen noch eine werbende Tätigkeit ausgeführt wurde, die Aufgabe (frühestens) mit Einstellung der aktiven Tätigkeit anerkannt wird. In diesen Fällen soll eine (teilweise) Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Einstellung der Tätigkeit also möglich sein. Unseres Erachtens sollte der Steuerpflichtigen in beiden vorgenannten Fällen durch die Finanzverwaltung unter Hinweis auf das jeweilige Hindernis angehört werden und ihm die Möglichkeit gegeben werden, einen zulässigen Aufgabezeitpunkt selbst neu zu benennen.

Bei Mitunternehmerschaften ist der Aufgabezeitpunkt von allen Mitunternehmern einvernehmlich zu bestimmen.

f) Zeitpunkt der Betriebsaufgabe durch den Rechtsnachfolger

Wird die Aufgabe im Erbfall durch den oder die Rechtsnachfolger (einheitlich) erklärt, ist die Aufgabe frühestens zum Zeitpunkt der Einstellung der aktiven Tätigkeit durch den Erblasser, aber auch mit dreimonatiger Rückwirkung vor Eintritt des Erbfalls zulässig. Der Aufgabegewinn ist dem Erblasser zuzurechnen (nebst etwaiger Freibeträge nach § 16 Abs. 4 EStG und einer Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 oder 3 EStG).

Bei sog. vorweggenommener Erbfolge kann der Rechtsvorgänger die Betriebsaufgabe ebenfalls innerhalb des Drei-Monatszeitraums, aber frühestens zum Tag der Betriebsübergabe erklären.

g) Bekanntwerden von Tatsachen, dass eine Betriebsaufgabe stattgefunden hat (§ 16 Abs. 3b Satz 1 Nr. 1 EStG)

Tatsachen, aus denen sich eine Betriebsaufgabe ergibt (§ 16 Abs. 3b Satz 1 EStG), sollen z. B. die Veräußerung einer oder mehrerer wesentlicher Betriebsgrundlagen des verpachteten Betriebs sein. Für die Kenntniserlangung soll es (nur) auf die Personen ankommen, die innerhalb des Finanzamts dazu berufen sind, den betreffenden Steuerfall zu bearbeiten (zuständige Sachbearbeiter).

Wurden in diesen Fällen Wirtschaftsgüter bereits in vorherigen Wirtschaftsjahren veräußert oder unentgeltlich übertragen, sind die Gewinne hieraus im Jahr der Veräußerung oder der unentgeltlichen Übertragung zu erfassen und die entsprechenden Vorjahresbescheide – nach Möglichkeit (Änderungstatbestand, keine Festsetzungs-/Feststellungsverjährung) – zu ändern.

Bedenklich ist die Anweisung, dass in Fällen der Betriebsaufgabe beim Rechtsvorgänger des Steuerpflichtigen oder in einem Veranlagungszeitraum, für den Festsetzungs- oder Feststellungsverjährung eingetreten ist (keine rückwirkende Änderung von Bescheiden möglich), der Aufgabegewinn in dem Veranlagungszeitraum der Kenntniserlangung durch das Finanzamt zu erfassen sein soll. Diese Herangehensweise führt zu einer nicht verursachungsgerechten Besteuerung.

III. Auswirkungen für die Praxis

Das BMF-Schreiben wird zeitnah im BStBl. I veröffentlicht und ist bereits in allen offenen Fällen für Betriebsaufgaben nach dem 4. November 2011 anzuwenden.

Gern sind wir Ihnen bei der Gestaltung und Umsetzung geplanter oder bestehender Fälle von Betriebsverpachtungen und sonstigen Betriebsunterbrechungen behilflich und stehen Ihnen für weitere Rückfragen und Informationen jederzeit zur Verfügung.

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